
Oder: Wie sollen die Demos sein?
Olivia Hellweek ist A&R-Managerin bei Ergonom Music.
Sie erzählt über den schwierigen Tag eines A&R's und über ihre Vorstellungen von einem guten Song und von einem guten Act.
die Welt der
A&R's
ZC: Olivia, Du bist eine namhafte A&R-Managerin. Wie beginnt Dein Tag?
Olivia: Der morgentliche Kaffee ist das wichtigste Ritual. Kurz die Aussicht über die Dächer der Stadt genießen. Dann Mails sichten, News im Internet überfliegen, Post überfliegen, einen Blick auf den Stapel der Demos werfen, Terminkalender befragen ...
ZC: Apropo Demos: Gibt es irgendetwas, das Dich total nervt, wenn Du ein Demo auf den Tisch bekommst?
Olivia: Zunächst einmal die Flut an Demos! Pro Woche türmen sich ca. 100 Demopackages bis unter die Decke! Ein Alptraum! Die Bands sollten sich kritischer fragen, ob das, was sie da senden, wirklich gut ist - lieber noch 10 Jahre dran feilen statt so schlechte Demos abliefern!
ZC: Aber das ist doch ziemlich lange ...
Olivia: Aber wie soll ich mir 100 Demos, manchmal sind es auch mehr, in der Woche anhören? Da gibt es 3 bis 4 unserer Acts, die ich betreue und promote - dafür benötige ich viel Zeit. Bei den Demos muß deshalb vorsortiert werden: Was nicht grafisch ansprechend ist, kommt in die Rücksende-Ablage "Standard". Auch alle Demos auf Cassette, auf Minidisc oder DAT: In die die Rücksende-Ablage "Standard".
Dann sind schon 2/3 der Demos rausgefallen. Die übrigen 30 wandern dann vielleicht mal in den CD-Player - je nach Anschreiben und Verpackung.
ZC: Die Verpackung ist also nicht egal?
Olivia: Nein, überhaupt nicht: Was mich stört sind umständliche Verpackungen; ein schönes CD-Cover ist ok., aber wenn sich eine Band mehr durch das Äußere definiert als durch die Musik selbst, das stört sehr. Manchmal bekomme ich Werkzeugkoffer oder riesige Pakete, denen Geschenke beiliegen. Das interessiert mich alles nicht! Mich interessiert nur die Musik. Ich habe sogar festgestellt, dass häufig die am aufwendigsten gemachten Sachen die musikalisch uninteressantesten sind.
ZC: Was sollte auf jeden Fall der Bewerbung beiliegen?
Olivia: Die CD natürlich, eine Biografie und ein Foto.
ZC: Wieviele Songs sollten auf der CD sein?
Olivia: Am besten drei bis fünf Tracks. Das sollten die besten Songs sein, und die sollten die Spannbreite der Band optimal repräsentieren. Wenn man dann wirklich an einem Künstler interessiert ist, fordert man noch mehr Material an.
ZC: Was ist das Kriterium für die Songs, die Du interessant findest?
Olivia: Die Farbe der CD bzw. der Rohlings! Haha - nein im ernst: Das Songwriting. Als zweites die musikalische Darbietung, also der Gesang. Aber maßgeblich ist eben, ob Emotionen rüberkommen, und das wird meineserachtens gut durch das Songwriting ausgedrückt. Insgesamt zählt die Wirkung.
ZC: Wie hörst Du Dir die Demos an?
Olivia: CD aus der Verpackung nehmen. Wenn diese dann zu "einfach" aussieht, Beschriftung einfach nur raufgekritzelt: Zurück in die Rücksende-Ablage "Standard". Da fallen schon mal wieder einige raus. Dann ersten Track, erste Takte: Wenn 's da nicht richtig los geht: Zurück in die Rücksende-Ablage "Standard". Falls die ersten Takte ansprechend sind, höre ich weiter, vielleicht sogar den ganzen Song - das ist aber schon selten.
ZC: Gibt es bei Ergonom so etwas wie eine musikalische Philosophie?
Olivia: Ja: Hauptsache es knallt sofort: Kurzfristigkeit! Wir wollen Schnellschüsse, die sofort in die Charts vorpreschen. Lieber ein einziger Song, der richtig knallt, als ein großes Repertoire. Lieber einen professionellen Act als einen "echten" Künstler, mit dem man lange intensiv arbeiten muss, und der womöglich erst langwierig aufgebaut werden muss. Uns interessiert nicht das "Potenzial" in irgendeiner Zukunft, sondern der aktuelle Song, die aktuelle Präsentation des Acts.
ZC: Wieviele Bands werden hier bei Euch in Deutschland gesignt?
Olivia: Das ist unterschiedlich, aber ich schätze pro Jahr so zwischen 10 und 20 Künstler. Das hängt davon ab, was gerade interessant ist und wie sich die Nachfrage entwickelt. Eine Zeit war z.B. der Gitarrenbereich sehr lau. Jetzt merkt man, dass hier wieder interessante Sachen kommen.
ZC: Worauf achtet Ihr beim Musikstil?
Olivia: Es soll neu und originell sein. Gerade auf dem Land beispielsweise gibt es noch diese sehr handwerkliche Vorstellung von Musik. Da gilt es noch als große Kunst, wenn einer ein fünfminütiges Schlagzeugsolo oder Gitarrensolo hinlegt. Ich bekomme viele Demos von Bands, die wie Nirvana oder so klingen, das sind dann die Helden in ihrem Dorf. Aber es klingt zu offensichtlich nach etwas, was es vor fünf oder zehn Jahren mal gab: Klischeehafter Dödelrock! Heute noch nach Nirvana zu klingen ist schlicht peinlich.
ZC: Das heißt?
Olivia: Mir scheint, daß in Deutschland oft der letzte Wille fehlt, sich bedingungslos der Musik zu verschreiben. Statt etwas eigenes zu probieren, werden Rock-Klassiker gecovert. So sind sie zwar die Helden im Bierzelt. Sie sind aber für uns vollkommen uninteressant, sie steuern nichts zur Musikgeschichte bei, man kann sie nicht spielen.
ZC: Was ist Dein Rat an Bands, die bei Euch einen Deal bekommen wollen?
Olivia: Sie müssen jünger als 25 sein. Sie müssen gut aussehen und Sport treiben, sonst kommen wir damit nicht bei VIVA und Youtube durch!
Sie sollen sich aufs Songwriting konzentrieren! Einfach nur den Rockklischees nacheifern ist total uninteressant - das kann man schon mal ganz vergessen! Sie müssen was neues machen!
Sie müssen das Talent in sich fordern und fördern. Sie müssen durch ständiges Schreiben ausprobieren, wie gut sie sind. Letztendlich ist der Mix aus Talent und handwerklichen Fähigkeiten ausschlaggebend. Und sie müssen dann einen Supersong schreiben. Dazu müssen sie sich aufopfern, Tag und Nacht dran friemeln und arbeiten. Und diesen Song als Demo erst dann zu uns senden, wenn alles perfekt ist - vorher ist es vertanes Porto.
ZC: Ist das nicht sehr streng?
Olivia: Wer bekannt werden will und gesignt werden will, muß auch sehr daran arbeiten! Und ich möchte mir nicht immer diese Sch... Demos anhören müssen!
ZC: Danke, Olivia Hellweek.
Die Anforderungen und Tipps der A&Rs sind in der Regel sehr ähnlich. Das Interview mit Olivia Hellweek steht im Grunde für fast alle Repertoire-Scouts bei Labels und Plattenfirmen. Wir danken Olivia hier für ihre Offenheit.
PS: Die Betonung liegt auf "fast". Zudem sollten wir nicht vergessen, welchem Erfolgsdruck die A&Rs in der Regel ausgesetzt sind.